Kommentar zur Grafik
„Schkeuditz City“
Ansichtskarten zu verschicken ist aus der Mode. Die Kommunikation mit gedruckten Ansichtskarten, wie zum Beispiel ein Gruß aus dem Urlaubsort, ist heute kaum noch üblich. Ein Foto mit WhatsApp zu verschicken, ist einfacher, erreicht den Adressaten in Sekundenschnelle und wirkt auf dem Bildschirm eines Smart- oder iPhone leuchtend und prägnant. Man kann das Foto ebenso schnell einem Bekannten weiterleiten, nach eigenen Wünschen fototechnisch bearbeiten, für bestimmte Zwecke kopieren oder duplizieren und am Ende auch in der gewünschten Größe als Versender oder Empfänger selbst auf hochglänzendem Fotopapier ausdrucken. Das macht in heutiger Zeit eine Ansichtskarte überflüssig, aber doch nicht so ganz. Digitale Fotos, die in unüberschaubarer Menge in Cloudspeichern unsere Erde umkreisen, müssen ihre Langlebigkeit und Wertschätzung durch die Nachwelt erst noch beweisen.
Zudem ist Schkeuditz Wohn- und Arbeitsort, aber kein Urlaubsort.
Und doch haben die hier Wohnenden den Wunsch nach einer mit den Augen fassbaren bildlichen Vorstellung von dem, wo sie leben, arbeiten und sich erholen. Sie möchten berichten von der Vielfalt an Kulturangeboten oder von Stätten, die dem Bedürfnis nach Geselligkeit Rechnung tragen. Welcher Einwohner wünscht sich nicht den Ratskeller betrieben mit Schweinshachse und einem kühlen Bier oder kulinarischen Angeboten aus aller Welt? Und er möchte darauf stolz sein und es in alle Welt posaunen:
„Hier lebe ich, hier darf ich sein!“
Vielleicht doch mit einer Ansichtskarte? Verschiedene Beispiele in jüngster Vergangenheit, die im Handel nicht mehr zu finden sind und deren Urheber mir nicht persönlich bekannt sind, gibt es. „Flughafenstadt Schkeuditz“, „Schkeuditz modern“, Schkeuditz natürlich“ und „Schkeuditz historisch“. Alle Beispiele sind kaum noch aufzufinden, hoch zu würdigen und sind Zeugnis eines Bedürfnisses nach Identität für einen in Schkeuditz Wohnenden.
Des Öfteren kam der Gedanke auf, ob es nicht möglich sein könnte, auch von Schkeuditz eine Grafik zu gestalten, wie zu Leipzig, Kohrener Land oder Wittenberg. (Beispiele hierzu auf den Nachbarseiten.) Eine Gebrauchsgrafik sollte es werden für verschiedene Zwecke, eine aktuelle oder „modernisierte“ Skyline oder ein Panoramabild. Zu bedenken war, dass es schwierig sein wird, von einer Schlafstadt, die keine Burg, kein Schloss, kein Haus am See, keine Gerichtslinde, kein Bahnhofsgebäude, keine überregional bekannte Persönlichkeit hat und Goethe hier nicht war, eine solche Vorstellung zu verwirklichen.
Apropos Schlafstadt – dieses Wort ist dem Volksmund entnommen und trifft keineswegs den Kern. Schkeuditz ist eine pulsierende Industriestadt, die eine interessante Industriegeschichte hat und seit der schwierigen Zeit nach der politischen Wende 1990 eine bis heute beispiellose industrielle Entwicklung vollzieht. Gleichzeitig weisen die Schkeuditzer gerne und mit Stolz darauf hin, dass sie mit den Ausläufern des Leipziger Auwaldes entlang der Weißen Elster und Neuer Luppe ein vorzügliches Naherholungsgebiet besitzen, ein Biotop, das man von allen Punkten der Stadt in nur wenigen Minuten erreichen kann.
Abgesehen von den vielen Möglichkeiten, die sich die Schkeuditzer selbst geschaffen haben und damit ihr Leben bereichern, denken wir nur an das vielseitige Vereinsleben, steht ihnen durch die Infrastruktur ein geistig-kulturelles und sportliches Eldorado in den unmittelbaren Nachbarstädten Leipzig und Halle zur Verfügung.
Was aber verstehen wir unter Schkeuditz?
Je nach Zählweise hat die Große Kreisstadt Schkeuditz mit seinen 12.635 Einwohnern neun weitere Ortsteile und erreicht so eine Zahl von 19.500 Einwohnern (2025) . Etwa 16 Wohnsiedlungen, die innerhalb der Gemarkung Schkeuditz liegen, wären zu berücksichtigen, wollte man alle territorialen Identitäten, alle subjektiven und objektiven Zugehörigkeiten zu Lebensräumen kennen-lernen und verstehen. Das wären ohne Versprechen auf Vollständigkeit in alphabethischer Reihenfolge
Altscherbitz, Dölzig, Ennewitz, Freiroda, Gerbisdorf, Glesien, Hayna , Kleinliebenau, Kursdorf, Modelwitz, Papitz, Radefeld, Schkeuditz, Schweiditz, Wehlitz und Wolteritz.
Sie alle haben eine eigene Ortsgeschichte, entwickeln unabhängig von verwaltungspolitischen Grenzen ein eigenes Regionalbewusstsein, das in einer einzigen Grafik mit der eingangs erläuterten Absicht nicht vernünftig dargestellt werden kann. So muss sich ein Grafiker auf einen Bereich der Großen Kreisstadt beschränken, den man als Stadtkern der Großen Kreisstadt Schkeuditz, als Kernsiedlung oder Stadtzentrum bezeichnen kann. Aber auch hier ist eine Auswahl von Objekten nötig, die hoffentlich von den Einwohnern mit ein wenig Toleranz akzeptiert wird.
Ich mache den Vorschlag: Nennen wir die Grafik „Schkeuditz City“.
Und wenn die Kernstadt Schkeuditz heute noch keine City ist – in 100 Jahren ist sie eine City.
Mobilität
Dem Betrachter wird auffallen, dass die Grafik die Verkehrs-Infrastruktur des Städtchens „Schkeuditz City“ nicht vernachlässigt hat, fast ein wenig betont. Deshalb ein kurzer Blick zurück.
Der Ursprung zur Gründung einer wehrhaften Siedlung um die Burg namens Scudici (Schkeuditz), (Gründung 981), ist wohl in seiner Lage zwischen den damals sich entwickelnden Handelszentren Leipzig (Gründung 1015, Pleißenburg 13. Jahrhundert) und Halle (806) zu sehen. Sie war auf alle Fälle um 1000 in ein Wegenetz zwischen Giebichenstein – Schkeuditz – Leipzig eingebunden. In den folgenden Jahrhunderten blieb diese Verbindung mit Blick auf den Kontinent Europa untergeordnet. Die großen Handelsstraßen, die Via Regia von Kiew bis Paris und Via Imperii von Stettin bis Madrid hatten Vorrang. Sie wurden so ausgebaut, dass Flüsse, die stets ein Hindernis waren, wie die Elbe, Saale und Mulde, überwunden werden konnten. So soll es bei Torgau bereits 1070, mit Rechnungen belegt bereits Anfang des 14. Jahrhunderts die erste feste Elbüberquerung gegeben haben.
Die Verbindung von Halle nach Leipzig nördlich der Weißen Elster über Scudici am Roßberg gelegen, heute etwa der Verlauf der B6, hatte solche Hürden nicht zu überwinden. So ist die Entwicklung des einstigen Ackerbürgerstädtchens Schkeuditz zum heutigen überregionalen Verkehrsknotenpunkt durch seine Lage zwischen den Handelszentren Halle und Leipzig zu erklären.
Mit Ausbau des Straßennetzes in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts, mit dem Bau der Autobahnen, entstand hier am Roßberg das erste und somit das älteste Autobahnkreuz Europas. Mit dem Namen „Schkeuditzer Kreuz“ erhielt das Städtchen einen überregionalen Ruf.
Und ein weiterer Begriff mit überregionaler Bedeutung muss hier erläutert werden. Der Flughafen Schkeuditz – heutige Bezeichnung „Flughafen Leipzig/Halle“. Auch wenn Leipzig sich aus fiskalischen und rechtlichen Gründen als Overlord versteht – den Schkeuditzern kann man den Flughafen nicht nehmen. Viel zu sehr ist der Flughafen, der 2027 sein 100jähriges Bestehen feiern wird, mit Schkeuditz und den in Folge seiner Entwicklung hier entstandenen und immer noch neu entstehenden Firmen, insbesondere Logistikfirmen, darunter DHL mit seinem internationalen Serviceportfolio, bedeutungsvoll verwachsen. Diese Wirtschaftssparte wurde in der Grafik entsprechend ihrer Bedeutung angemessen berücksichtigt.
Die einsetzende industrielle Entwicklung im 19. Jahrhundert, besonders in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts brachte es mit sich, dass Schkeuditz 1841 an das Eisenbahnnetz angeschlossen wurde. 1910 erfolgte die Anbindung an das Leipziger Straßenbahnnetz. Auch der weitere Ausbau des Straßennetzes in jüngster Zeit, denken wir an die neue B6, auf dieser man das Zentrum Leipzigs in 20 Minuten erreicht, fördert das wirtschaftliche Wachsen und Gedeihen aber auch die Lebensqualität der hier Wohnenden.
Der Mann ohne Kopf im Schkeuditzer Wappen
Einem schrecklichen Ereignis folgt oft eine gern erzählte Sage. Um den Mann mit seinem Kopf in der Hand rankt sich ebenso eine Sage. Auch hier liegt in der Sage ein Fünkchen Wahrheit, auf alle Fälle eine Botschaft.
„Überlieferte Sagen aus dem Mittelalter deuten es in den meisten Fällen so : "Albanus, ein Schkeuditzer, wurde des „Leinwanddiebstahls“ bezichtigt und durch grausame Folterqualen zum Geständnis gebracht. Auf dem Weg zum Schafotte rief er mit lauter Stimme: „ So wahr ich unschuldig bin, werde ich meinen Kopf mit den Armen auffangen“ !
Das Volk sah nun mit Schrecken das angekündigte Wunder und forderte, dieses Gottesurteil solle fortan im städtischen Wappen dargestellt werden.“ 1
1Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Schkeuditz
Wenn nun ein Ratsuchender Anlass genug hat, das Schkeuditzer Rathaus aufzusuchen und das Wappen nicht so recht zu deuten vermag, wird sich beunruhigen und er wird sich fragen, was wohl mit seinem Kopf geschehen wird. Aber schon an den Eingangsportalen wird er neben drei anderen an eine in Roch-litzer Porphyr gehauenen Plastik aufmerksam. Der Wissende wird durch den Raben mit dem Goldring im Schnabel daran erinnert, dass Schkeuditz 1271 vom Markgrafen von Landsberg an das Fürstbistum Merseburg verkauft wurde und bis zur Gebietsreform 1952 unter Merseburger Verwaltung stand, dem seit 1815 Regierungssitz der preußischen Provinz Sachsen. Und er wird sich an eine Sage erinnern, die ihn mit Hoffnung beseelt, an die Merseburger Rabensage.
Der Sage nach ließ der im 15. Jahrhundert in Merseburg regierende Bischof Thilo von Trotha seinen treuen Diener hinrichten, weil dieser in den Verdacht geraten war, seinem Herren einen wertvollen Ring gestohlen zu haben. Nach längerer Zeit wurde bei Dacharbeiten am Merseburger Schloss der Ring in einem Rabennest entdeckt.
Zur Mahnung, niemals im Jähzorn zu richten, ließ Thilo von Trotha einen Raben in Gefangenschaft nehmen. Aus Reue änderte er sein Familienwappen und übernahm einen Raben mit einem goldenen Ring im Schnabel in sein Schild„.“2
2Quelle: https://www.merseburg.de/de/merseburger-rabensage/die-merseburger-rabensage.html
Vorschlag zum Umgang mit dem Schkeuditzer Wappen und seiner Deutung:
Da Albanus nach Hinrichtung seinen Kopf mit den Händen auf der Bibel aufgefangen haben soll, so die Sage, muss er, ebenso wie der treue Diener des Merseburger Bischofs Thilo von Trotha, unschuldig gerichtet worden sein. In beiden Fällen ging es um unterstellten Diebstahl. Somit sollte man den Mann mit seinem Kopf in der Hand im Schkeuditzer Wappen wie den Merseburger Raben mit dem Goldring im Schnabel als Mahnung verstehen, Fehlurteile zu vermeiden; im weitesten Sinne als Forderung und Versprechen nach Gerechtigkeit.