Brot ist nicht hart ...

 

Wie eine offene Wunde am Gehirne des Menschen wirkt das uns von der Bäckersfrau der Bäckerei Heinich in Geithain immer wieder Vorgeführte. Obwohl oder weil es zur damaligen Zeit noch mehrere private Bäcker in Geithain gab, die Kapazität der kleinen Bäckereien mit ihren alten Backöfen begrenzt waren, spielte sich morgens, aber besonders an Sonnabenden folgendes Szenarium ab:
   Die Kundschaft kam guten Mutes aus dem ganzen Stadtgebiet, um ihr familiäres Wochenende mit frischen Bäckerbrötchen zu beginnen. Das war allwöchentlich ein beliebtes Ritual, erst recht, wenn die Sonne auf das Butterbrötchen scheinen durfte.

 Gegen Dreiviertelsieben versammelte sich eine Schar noch nicht ganz ausgeschlafener Kunden vor der Bäckerei. Punkt sieben Uhr läutete die Türglocke das erste Mal. Die ca. 15 Ungeduldigen, die sich meist kannten, drängten sich in den engen Verkaufsraum, der mit dem überaus köstlichen Geruch einer Backstube gesättigt war. Die ersten fünf Kunden schätzten sich glücklich und zogen nach wenigen Minuten mit zwei oder drei vollen Beuteln Brötchen für sich, für die Großeltern und für den Nachbarn von dannen. Alle anderen mussten warten auf den nächsten Schub ofenheißer Brötchen. Um den späteren Ablauf zu beschleunigen, kassierte die Bäckersfrau alle noch wartenden Kunden schon jetzt ab. Und tatsächlich - nach einem sich ewig anfühlenden Weilchen kam der Bäcker mit bestem Ruf aus der Backstube mit einem kopfüber getragenen heißen Blech mit goldbraun leuchtenden Brötchen und schüttete sie über den Tresen in einen dort in einer Ecke stehenden großen Wäschekorb. Nun konnten jene, die ihre Brötchen schon bezahlt hatten, die ihren dem großmaschigen Flechtkorb selbstständig entnehmen.

   Durch das als ewig empfundene ungeduldige Warten kam die Reihenfolge des Erscheinens der Kunden durcheinander. Jeder mochte behaupten, er sei der Nächste. Aus Erfahrung wussten sie, dass die jetzt verfügbaren Brötchen für nicht mehr als fünf Kunden reichen würden. Dieses Wissen führte zu einem Kampf, bei dem es zumeist mehr Verlierer als Gewinner gab. Alle stürzten sich gleichzeitig, darunter auch die sich sonst so klug und großmütig Gebenden wie bei einer Raubtierfütterung auf die Brötchen. Übrig blieben die zu kurz gekommenen miesepetrigen Gesichter, die sich angestrengt mit dem Gedanken beschäftigten, welche Position sie im Laden einnehmen sollten, um beim nächsten Mal Gewinner zu sein.

   Die Bäckersfrau lehnte während dessen rücklings am Brotregal, den einen Arm über den Bauch gelegt, mit der anderen Hand den Kopf stützend und genoss in vollen Zügen in sich hinein schmunzelnd den von ihr immer wieder offengelegten Charakter des Menschen.
   An der Wand des sonst bescheiden ausgestatteten Verkaufsraumes hing neben dem Meisterbrief ein kräftiger Barockrahmen, der unter Glas eine uralte Volksweisheit, einen Spruch mit kräftiger altdeutscher Schrift behütete:

 

Brot ist nicht hart. Kein Brot, das ist hart!

 

Neuigkeiten

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In Vorbereitung

Gebrochene Siegel

(Arbeitstitel)

oder 
Lachesis’ gestaltende Kraft

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Buch I

Trilogie

Gebrochene Siegel

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Buch II

Mors certa

 

 

Helmut Kleinschmidt

 

Gebor​en 1948 im südthüringischen St. Kilian. Hier träumerisch, spielend und um-sorgt aufgewachsen.

Seit 1975 im Großraum Leipzig beruflich tätig gewesen, berichtet über einen wechselhaften beruflichen Lebensweg.

Eigene Erfahrungen sind die Grundlage für einen kritischen und selbstkritischen Rückblick, der unterhaltsam zum Nachden-ken anregt.

(Auszüge auf den Unterseiten Gebrochene Siegel und

Mors certa.)

Von der geometrischen Primitive bis zur Kunst ist es nur ein kurzer Weg.

Ihn zu finden, das ist Kunst!

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© Helmut Kleinschmidt