Über den Umgang mit dem Tod
Erinnerung an meine Tätigkeit als Bestatter
Leseproben
Dankbarkeit
Keiner meiner beruflichen Tätigkeiten war mit so viel Dankbarkeit verbunden, wie die Tätigkeit als Bestatter. Das mag an den Umständen liegen, die Hinterbliebene mit einer „schlechten“ Nachricht in die Geschäftsstelle eines Bestattungsunter-nehmens nötigen. Sonst so starke Menschen kommen mir zaghaft und schwankend entgegen und sind das erste Mal dankbar, wenn ihnen ein Platz angeboten wird.
Das ist nicht immer so. Andere kommen selbstbestimmt mit klaren Vorstellungen darüber, wie alles geschehen soll. Erst mit und nach der Trauerfeier wird ihnen die Tragweite dessen, was gerade gut durchdacht und in Würde ablief, bewusst. Mit diesem Bewusstsein entsteht ein starkes Verlangen, dieses Mal schon mit festerem Händedruck, sich zu bedanken.
Einführung
Diese Niederschrift ist kein Lehrbuch oder Leitfaden für den Umgang mit Tod und Trauer. Es sind mit
Rückblick auf meine einstige Tätigkeit als Bestatter, die von Unwissenden nicht selten herabgewürdigt wird, Erinnerungen und persönliche Eindrücke, die ich nicht missen möchte. Mögen sie helfen,
meine Leser zu befähigen, die Endlichkeit allen Lebens auch mit einer gewissen Heiterkeit zu betrachten.
Meine 13-jährige Tätigkeit als Bestatter gehört zu meinen interessantesten Tätigkeiten. Das schließt aber nicht aus, dass ich mich in meinem „zweiten Leben“
wieder mehr und tiefgründiger mit technischen Fragen befassen könnte. Ob es darum geht, die Seele eines mechanischen Uhrwerkes zu verstehen, neue Schneidwerkzeuge in der spanabhebenden
Metallverarbeitung zu entwickeln oder das thermische Schmiersystem einer Schiffswelle zu optimieren – die Welt ist groß, alles ist interessant und nichts ist vollendet. Der Fischerdübel oder die
Kreuzschraube sind sehr hilfreiche Erfindungen, so banal und selbstverständlich sie heute auch erscheinen mögen. Sie werden schon nicht mehr als eine geistige schöpferische Leistung unserer Zeit
verstanden. Auch solche Themen sind interessant und weniger abhängig vom Subjekt. Dazu ist aber meine Lebensuhr zu weit fortgeschritten, um mich solchen Fragen noch einmal zuzuwenden. So bleibt mir
die Erinnerung an den Geruch der Dämpfe verbrannten Öles, die von den Schneidwerkzeugen der Fräs- und Drehmaschinen und von den funken-sprühenden Schmiedegesenken aufsteigen und mich um mehr als 50
Jahre verjüngen, wenn ich wehmütig eine Metallwerkstatt betrete. Gleichzeitig wird mir die Endlichkeit des Lebens bewusst. Ich höre in meiner Erinnerung jetzt nicht mehr das gewaltige Stauchen eines
Gesenkhammers, der die Erde erzittern lässt, sondern das kurze, entschlossene, blecherne Zischen eines Sensenblatts, wenn es durch das Korn fährt. In solchen Situationen beginne ich die Nähe des
Todes zu erahnen, weil eine Korrektur in der Lebenslinie nicht mehr möglich ist. Man wird auch ein wenig neugierig auf das, was der Sensenmann am Biertisch mit geölter Zunge wohl berichten würde,
könnte man ihn einladen.
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Wer sich erniedrigt, erhöht sich
In den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts stand in dem kleinen Örtchen Prießnitz im Kohrener Land ein
Pfarrer hoch auf einem aus dem Erdaushub des Grabes entstandenen Erdhügel, der in dieser Höhe mit erhobenen Armen den Kontakt zu seinem Herren suchte und so glaubhaft machen wollte, dessen Worte zu
verkünden.
Der gläubige Grabmacher, der naturgemäß des Öfteren mit dem Teufel in Berührung gekommen sein musste, deshalb beim Graben in die Tiefe eine gewisse Scheu an den Tag legte, wusste, dass
sein Werk mit den am Grabesrand hochkant verbauten Brettern und der mit einer grünen Rasenmatte bedeckte Erdaushub den Hügel höher und das Grab tiefer erscheinen lässt. So schuf er den Schein der aus
hygienischen Gründen vorgeschriebenen Solltiefe.
Auf diesem Hügel stand nun der himmlische Abgesandte, presste mit vielen Worten reichlich Tränen aus den gesenkten Kopftüchern und vollbrachte so das von ihm erwartete und allseits
gelobte Zeremoniell. Darin eingebettet waren seine kraftvollen Worte: Wer sich erniedrigt, erhöht sich!
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