Kriegerdenkmünzentafel
für gefallene Soldaten
Kirche St. Kilian / Schleusingen
Über den Wert des geschriebenen Wortes
(Auszug aus "Gebrochene Siegel")
Einst nur Mittel zum Zweck bekam das geschriebene Wort zunehmend Bedeutung und rückte für mich auf der Bewertungsskala aufsteigend immer weiter nach rechts. Heute hat es für mich einen besonderen Stellenwert und steht kaufmännisch betrachtet weit vor dem Komma.
Es ist wohlüberlegt, beständig, verlässlich, unendliche Male wieder-holbar, jederzeit nachprüfbar und auch reifend korrigierbar. Das zig Male geprüfte und doch jederzeit angreifbare Wort steht da, nackt, wie David auf dem Piazza della Signoria1. Es bedarf keiner Kunstfigur, die ihm mit Krawatte und Flakon eine wirkungsvolle Überhöhung verleihen könnte. Wenn der sachliche Bezug der rationalen Mitteilung sich auch ändern oder auflösen mag, so geht mit dem Geschriebenen die Botschaft nicht unter. Wer sich der Mühe des schriftlichen Wortes nicht unterzieht, läuft Gefahr, als ein schwatzhafter Scharlatan dazustehen. Seine billigen Bonmots lenken wie dröhnende Böllerschüsse die Aufmerksamkeit auf sich und verhallen sogleich, ähnlich des Amens in Kirchen mit unheimlich großer steinernen Resonanz, in denen sich das Flüchtige gern mit berauschendem Weihrauch bis zur ewigen Vergessenheit vermischt.
Wie könnte es sonst sein, dass ein Pfarrer den Befehl mit einem Friedensgebet garniert und die Soldaten damit in den Krieg entlässt? Die einst anstelle von Opium verstreuten Worte über Gott und Vaterland sind verwest. Nur die mit kalligrafischer Schrift verzierten Gedenkmünzen-tafeln stehen noch lange geplündert und verstaubt in Kirchen und Trauerhallen herum, erinnern an gefallene Vorfahren und tragen unergründlich den eigenen Familiennamen.
1 Piazza della Signoria - Platz in Florenz