oder
Lachesis' gestaltende Kraft
Hier werden vorab Texte veröffentlicht, die zur prosaischen Einstimmung in die Buchteile I bis III gedacht sind.
Leseproben
Teil I - Widerspruch
Das Buch mit sieben Siegeln
Auf der Kuppel des Bundesverwaltungsgerichtes in Leipzig, einst als Reichs-gerichtsgebäude errichtet, thront
die Skulptur „Wahrheit“, deren Zwillings-schwester in Sichtweite auf dem kleinen Giebel des Neuen Rathauses sich im Spiegel prüfend bewundert. Hier auf dem Bundesverwaltungsgericht hat sie sich statt
Spiegel für eine Fackel entschieden. In dieser Höhe nimmt sie keiner wahr, kein Beklagter, kein Betrogener, kein Amtsträger, kein Besucher der Stadt. Vergeblich sucht der Bedrängte Gleiches an den
Eingangsportalen des Rathauses oder an den breiten Treppenaufgängen der Amtsgerichte, hoffend, im Vorbeigehen seinen Glauben an Wahrheit und Gerechtigkeit festigen zu können. Vergeblich sucht er die
vertraute mütterliche Weiblichkeit, um sich Mut einzusaugen für den bevorstehenden Termin. Hier an den Stufen zur Obrigkeit sind Raubtiere wie Löwen, Adler und Schlangen, Narren und Harlekine zu
finden. Das beunruhigt den Bedürftigen.
Wir borgen uns für ein Weilchen die Fackel Aletheias. Vielleicht gelingt es uns, in den dunklen Irrgängen menschlichen Denkens das Buch mit sieben Siegeln zu finden.
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Teil III - Kündigung eines Unkündbaren
Venedig
Im Beratungsraum des in die Jahre gekommenen Steuerberaters Dr. Werres, Student einer Schweizer Universität,
hängt ein großes Bild in würdigem schweren Rahmen. Eine lustige, leicht übermütige Gesellschaft in einer venezianischen Gondel auf dem Canal Grande, geführt von einem singenden Gondoliere. Die
Fröhlichkeit und Farbenpracht der Gesellschaft verführt den wartenden Klienten in sehnsuchtsvolle Träumerei.
Auf der aufgeräumten glänzenden Tischplatte mischt sich das Licht des Fensters mit dem pinkfarben leuchtenden Abendhimmel, als schiene die untergehende Sonne Venedigs auch in das Zimmer,
um das Tagwerk zu segnen.
Warum hängt hier nicht ein Gemälde des 90-jährigen Ahnen mit gepflegtem Schnauzbart, ein futuristisches Werk mit Kaianlagen und
Kränen am Rheinufer, ein Lokschuppen mit schnaufenden Loks oder LKWs, die Autobahnen belagern? Warum nicht ein an einem schiefstehenden Tischlein sitzender verarmter Advokat, in der Hand einen
Gänsekiel? Warum gerade diese heitere sorglose Stimmung in einem vom Untergang bedrohten Venedig?
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Noch Teil III
Hochwaldtannen mich umrauschen
Die vielen Losungen auf dem mit Verbotsschildern geschützten Terrain um das baumlose Hochmoor des Thüringer Waldes höchsten Berges, wo der Sonnentau noch gedeihen darf, deuten darauf hin, dass sich hier das Wild, wenn des Menschen Lärm verstummt und der Lichtsmog durch den kühlen Herbstnebel gedämpft wird, in der Gemeinschaft sicher fühlt. Die vielen Spuren tierischer Anwesenheit, die vielen Fährten im teils morastigen Waldboden wirken, als würde es hier nachts in trauter Gemeinschaft über wichtige Fragen seines Daseins beraten. Doch tief unterhalb der Straße entlang des Rennsteigs hört der Waidmann im hellhörigen, mit Fichten kultivierten Hochwald ein Stampfen, Schnaufen und Knistern – Geräusche eines erbitternden Kampfes zweier Hirsche, die ihre Geweihe gegeneinander schlagen.
Dem am nächsten Tag zufällig vorbeikommenden Touristen, der danach trachtet, sein Leben zu genießen und Sensationen zu erheischen, blieb dieser Kampf verborgen.
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Teil III Ausklang
Solange der Mensch strebt
Solange der Mensch strebt, sieht er nach vorn. Immer vorwärts, nicht zurück, und eilt und schafft. Nur
manchmal hält er inne, zu prüfen, wo er steht und was zu machen sei. Im Kalender stehen Pflichten und Termine, nicht von ihm gemacht. Erst spät steht er lange noch am Heck des schwer beladenen
Frachters, der seine Bahn zieht, wer weiß wohin.
Mit Blick zurück sieht er träumend auf das schier endlose blaue Weiß, auf das sprudelnde Gemisch des Schiffes kraftvolle Schraube. Eine lange breite Spur, die erst weit in der Ferne
sich verliert, als wäre nichts gewesen. Doch das beständige gleichmäßige Dröhnen der Maschinen, der Sound aller Höhen und Tiefen bleibt und klingt noch lange fort.
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